Suizidalität
Suizidgedanken und -impulse (Suizid = Selbsttötung) sind ein häufiges Symptom bei Depression und machen die Krankheit oft lebensbedrohlich. Menschen, die an Depression leiden, verlieren oft jede Hoffnung auf Besserung und empfinden ihr Leid als unerträglich. Aus diesem Grund kann der Wunsch entstehen, nicht mehr leben zu wollen.
Wenn Sie selbst an Suizid denken oder Menschen kennen, die gefährdet sein könnten, sollten Sie umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Im Folgenden finden Sie gezielte Informationen für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen.
Für Betroffene
Bei einer Depression kann es zu Krisen kommen, in denen Menschen nicht mehr leben möchten. Suizidgedanken und -impulse können ein Symptom der Depression oder anderer psychischer Erkrankungen sein.
Menschen mit Depression verlieren durch die Erkrankung jegliche Hoffnung. Sie glauben nicht daran, dass ihnen geholfen werden kann oder es je wieder besser wird. Um diesem als unerträglich empfundenen Zustand zu entkommen, kann der Wunsch entstehen, nicht mehr Leben zu wollen. Diese lebensmüden Gedanken sind oft sehr belastend und und können Scham- oder Schuldgefühle auslösen.
Wichtig: Wenn Sie aktuell Suizidgedanken haben, ist es wichtig, schnellstmöglich professionelle Hilfe zu suchen.
Den allermeisten Betroffenen kann gut geholfen werden: Mit einer erfolgreichen Behandlung der psychischen Erkrankung wie einer Depression lassen die Suizidgedanken nach.
Erste Anlaufstellen bei Krisen oder Suizidgedanken:
- hausärztliche oder psychiatrische Praxis
- Psychotherapeut/-innen
Wenn Sie sich in einer akuten Krise befinden, können Sie sich rund um die Uhr an die nächste psychiatrische Klinik wenden oder den Notruf unter 112 wählen. Auch der Krisendienst in deiner Region bietet schnelle Hilfe.
Sie erreichen die Telefonseelsorge rund um die Uhr und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
Sprechen Sie die Suizidgedanken bei den Behandlern deutlich an!
Manchmal fällt es schwer, die Gedanken überhaupt in Worte zu fassen. Hilfreich ist es dann, sich vor dem Termin zu überlegen, was Sie sagen wollen und dies aufzuschreiben z.B. „In letzter Zeit bin ich so verzweifelt, dass ich manchmal Gedanken habe, mir etwas anzutun.“
In kritischen Situationen fällt es oft schwer, klar zu denken. In solchen Situationen kann ein Krisenplan helfen. Ein Krisenplan beinhaltet Gegenmaßnahmen, damit Sie gut für sich sorgen und sich bei Bedarf schnell professionelle Hilfe holen können. Sie finden hier eine Vorlage für einen Krisenplan zum Download.
Für Angehörige
Welche Alarmzeichen sollte man ernst nehmen?
Suiziddrohungen und -ankündigungen
Das Vorurteil, dass sich ein Mensch, der von Selbsttötung spricht, nichts antut ist falsch.
Große Hoffnungslosigkeit und Äußerungen wie:
„Es hat ja doch alles gar keinen Sinn mehr...“, „Irgendwann muss auch mal Schluss sein...“, „Es muss jetzt was passieren...“ sind bei depressiven Menschen Hinweise auf eine ernste Gefährdung.
Angelegenheiten ordnen, Abschied nehmen
Viele Menschen möchten vor einem Suizid ihre Angelegenheiten ordnen. Beispielsweise verschenken sie Wertgegenstände, setzen ihr Testament auf oder verabschieden sich von ihren Freunden und Verwandten. Wer fest zum Suizid entschlossen ist, wirkt oft ruhiger, gefestigter und weniger verzweifelt. Die Mitwelt kann zu dem trügerischen Schluss kommen, es gehe mit der-/demjenigen endlich wieder aufwärts.
Was können Sie tun, wenn Sie einen akut suizidgefährdeten Menschen kennen?
Sprechen Sie das Thema an!
Wenn Sie den Verdacht hegen, dass ein Freund oder Angehöriger suizidgefährdet ist, sollten Sie ihn in ruhiger und sachlicher Weise darauf ansprechen. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, ist falsch. In aller Regel stellt es für einen suizidgefährdeten Menschen eine Entlastung dar, mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken sprechen zu können.
Ziehen Sie professionelle Hilfe hinzu!
Versuchen Sie sich nicht als Therapeut, sondern unterstützen Sie den Betroffenen, professionelle Hilfe zu suchen. Hilfe können Sie bspw. bei einem niedergelassenen Arzt/Psychotherapeuten oder in einer Klinik suchen. Weiter Hilfsadressen finden Sie hier.
Sorgen Sie für den Menschen!
Zeigen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie für ihn da sind. Übernehmen Sie in der akuten Situation Verantwortung für den anderen. Begleiten Sie die gefährdete Person zum Arzt oder in die Klinik. Nachts kann das die psychiatrische Notfallambulanz sein, aber auch der ärztliche Notdienst.
Das Wichtigste bei akuter Suizidalität ist, nicht alleine in der aussichtslos erscheinenden Situation zu bleiben, sondern sich trotz oft vorhandener Scham- und Schuldgefühle einer anderen Person anzuvertrauen.
Wenn ein Mensch unmittelbar von Suizid bedroht ist, er aber in keiner Weise mehr über ein Gespräch erreichbar ist und nicht bereit ist gemeinsam Hilfe aufzusuchen, so sollte zu seinem Schutz der Notarzt verständigt werden. Bitte berichten Sie dem Notarzt genau von der Situation und lassen Sie den betroffenen Menschen bis zum Eintreffen des Notarztes nicht allein.
Das Wichtigste ist, Zeit zu gewinnen, da der Wunsch zu sterben fast immer nur ein vorübergehender Zustand ist und auch bei schwierigen Lebenssituationen meist der Lebensmut zurückkehrt.
Für Suizid-Trauernde
Einen nahestehenden Menschen durch Suizid zu verlieren, gehört zu den schmerzlichsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Die Selbsttötung geschieht für die Hinterbliebenen oft unerwartet und bringt Fragen bzw. Erschwernisse mit sich, die bei anderen Todesarten nicht auftauchen. Der Schmerz geht oft einher mit der Frage nach dem „Warum“, mit Schuldgefühlen, tiefer Verzweiflung und Wut auf den Verstorbenen. Hinterbliebene stellen sich die quälende Frage, ob man den Suizid nicht hätte vorhersehen oder verhindern können.
Sie sind nicht alleine. Suchen Sie sich Unterstützung für diese schwere Zeit.
Hilfe finden Sie bei diesen Anlaufstellen:
AGUS e.V. - Angehörige um Suizid
Für Fachpersonen
Häufigkeit
In Deutschland versterben jährlich ca. 9.200 Menschen durch Suizid. Das sind mehr Menschen, als im Verkehr (ca. 3.000), durch Drogen (ca. 1.500) und an AIDS (ca. 270) zu Tode kommen (Statistisches Bundesamt 2020). Die Zahl der Suizidversuche ist schätzungsweise 15– bis 20–mal so hoch. Zwei von drei Suiziden werden von Männern verübt. Insbesondere ältere Männer haben ein erhöhtes Risiko. Bei den Suizidversuchen sind hingegen junge Frauen gefährdet. Auch wenn die Suizidzahlen seit den 90er Jahren insgesamt abgenommen haben, ist Suizidprävention nach wie vor dringend notwendig.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Mehrheit der Menschen, die durch Suizid versterben, haben an einer psychiatrischen Erkrankung gelitten (90 %), am häufigsten an einer Depression (> 50 %). Daneben sind Schizophrenie und Suchterkrankungen ebenfalls mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden.
Die erfolgreiche Behandlung der psychiatrischen Erkrankung stellt somit die beste Suizidprävention dar!
Kritische äußere Ereignisse, die mit großer Hoffnungslosigkeit verbunden sind wie Partnerschaftskonflikte, Schulden, Arbeitslosigkeit, chronische Erkrankungen oder Trennungen können suizidale Handlungen auslösen.
Aber: Der Annahme, dass schwierige äußere Bedingungen allein ein Grund für Suizide sind, muss widersprochen werden. Zum einen reagiert nur ein kleiner Teil der Betroffenen mit suizidalem Verhalten, während die große Mehrheit der Menschen in der Lage ist, diese „Schicksalsschläge“ zu verarbeiten. Das zeigen auch wissenschaftliche Studien, in denen kein Zusammenhang von Suiziden und Arbeitslosigkeit oder Suiziden und dem Vorliegen einer schweren körperlichen Erkrankung gefunden wurde.
Suizidprävention
Depressionen sind die Hauptursache von Suiziden. Eine erfolgreiche Behandlung der Depression senkt das Risiko für suizidale Handlungen.
Das 4-Ebenen-Interventionsprogramm der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist das am häufigsten durchgeführte und am besten wissenschaftlich untersuchte Suizidpräventionsprogramm. 2001 und 2002 als Modellprojekt „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ gestartet, vereint es die folgenden Ziele:
- die Verbesserung der Versorgung depressiv erkrankter Menschen und darüber hinaus (aber auch mit zusätzlichen Maßnahmen)
- die Prävention von suizidalen Handlungen.
Mit Aktivitäten, die gleichzeitig auf 4 Ebenen der Versorgung ansetzten (1. Kooperation mit Hausärzten, 2. PR-Aktivitäten, 3. Fortbildungen von Multiplikatoren und 4. Angebote für Betroffene und Angehörige) konnte innerhalb von zwei Jahren die Anzahl suizidaler Handlungen (Suizide und Suizidversuche) um 24 % gesenkt werden – im Vergleich zum Ausgangsjahr und einer Kontrollregion.
Für Medienschaffende: Suizidalität in den Medien
Den Medien kommt bei der Berichterstattung über Suizide und Suizidversuche eine große Verantwortung zu. Durch dramatisierende oder gar heroisierende sowie detaillierte Darstellung können bei suizidgefährdeten Menschen suizidale Handlungen ausgelöst werden. Dies ist als Werther-Effekt beschrieben, in Anlehnung an die Erfahrung mit dem Roman Goethes „Die Leiden des jungen Werther“. Ziel der Stiftung ist es daher, die Medien zur Mitarbeit zu gewinnen. In unserem Medienguide sind entsprechende Empfehlungen zur Berichterstattung über Suizide enthalten, wie beispielsweise, den Suizid nicht als Freitod oder in melodramatischer Weise darzustellen, sondern als Folge einer psychiatrischen Erkrankung, die durch konsequente Behandlung hätte vermieden werden können.
Links und Literatur zu Suizidalität
Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Bericht „Suizidprävention: Eine globale Herausforderung“ ist der erste umfassende Bericht der WHO zu diesem Thema. Ziel des Reports ist es, dazu beitragen, das Thema Suizidprävention in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträgern zu rücken. Der Bericht gibt sowohl einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu suizidalem Verhalten als auch zu Risiko- und Schutzfaktoren. Es werden zudem Aktionen und Maßnahmen vorgestellt, wie Suizidprävention gelingen kann – z.B. durch einen erschwerten Zugang zu tödlichen Methoden, durch die Beseitigung von Versorgungsengpässen für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die Förderung von verantwortungsvoller Medienberichterstattung zur Reduzierung von Nachahmungstaten oder die Schulung von Multiplikatoren.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe legt nun erstmals eine deutsche Übersetzung des Berichts vor. Der Bericht entstand im Rahmen der Kooperation mit der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH. Sie wurde mit Unterstützung und ausdrücklichem Einverständnis der WHO sowie in Zusammenarbeit mit der European Alliance Against Depression e.V. erstellt. Wir möchten im Besonderen dem japanischen Grafiker Yusuke Nakazawa danken, der das Layout der deutschen Fassung ehrenamtlich erstellt hat.
AGUS e.V. (Angehörige um Suizid)
Der Verein AGUS unterstützt Angehörige nach Suizid durch Beratung, Betreuung und Vermittlung von Kontakten Betroffener.
In dieser Initiative haben sich bisher mehr als 90 Institutionen, Organisationen und Verbände zusammengeschlossen, um an der Suizidprävention in Deutschland zu arbeiten.
Freunde fürs Leben
Der Verein bietet vielfältige Informationen über Suizid und Depressionen für vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene.
NEUhland
Informationen für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche sowie für Fachleute.
Verwendete Quellen
Wenn Sie sich in einer akuten Krise befinden, wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten, die nächste psychiatrische Klinik oder wählen Sie den Notruf unter 112. Sie erreichen die Telefonseelsorge rund um die Uhr und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
Außerdem können Sie sich an unsere überregionalen Krisentelefone wenden oder nach Krisendiensten in Ihrer Nähe suchen.
Bertolote, J. M., Fleischmann, A., De Leo, D., & Wasserman, D. (2004). Psychiatric diagnoses and suicide: revisiting the evidence. Crisis, 25 (4), 147‐155.
Statistisches Bundesamt. (2015). Todesursachenstatistik. Verfügbar unter: https://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_aid=10324223&nummer=670&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=66408671 [02. September 2015]
Hegerl, U., Althaus, D., Schmidtke, A., Niklewski, G. (2006). The Alliance against Depression: two year evaluation of a community based intervention to reduce suicidality. Psychol Med 36, 1225-1234.
Hegerl, U., Mergl, R., Havers, I., Schmidtke, A., Lehfeld, H., Niklewski, G., & Althaus, D. (2010). Sustainable effects on suicidality were found for the Nuremberg alliance against depression. European archives of psychiatry and clinical neuroscience, 260 (5).
Lönnqvist, J. (2009). Major Psychiatric Disorders in Suicide and Suicide Attempters. In D. Wasserman & C. Wasserman (Eds.), Textbook of Suicidology and Suicide Prevention: A Global Perspective (pp. 275-286). New York: Oxford University Press.