Depression im Kindes- und Jugendalter
Wie zeigt sich eine Depression bei Kindern?
Leichte depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Vorschulalter sind ca. 1 % der Kinder und im Grundschulalter ca. 2 % betroffen. Aktuell erkranken etwa 3-10 % aller Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren an einer Depression.
Bei Kindern und Jugendlichen kommt es häufig vor, dass die Depression mit weiteren psychischen Erkrankungen, wie z.B. Angststörungen, Essstörungen und ADHS einhergeht.
Zu den Symptomen einer Depression im Kindes- und Jugendalter: Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann
Weitere Expertenvideos finden Sie auf der Website unseres interaktiven Film- und Medienprojekts Die Mitte der Nacht.
Inhaltsübersicht
Symptome
Eine Depression bei Jugendlichen wird manchmal nicht sofort erkannt. Dafür gibt es verschiedene Gründe:
- Die Abgrenzung von normalen Entwicklungen im Jugendalter und einer Depression ist schwierig, da vorübergehende Stimmungsschwankungen, Gereiztheit und andere depressive Symptome Teil der Pubertät sind.
- Es stehen andere Verhaltensweisen im Vordergrund (z.B. eine erhöhte Reizbarkeit oder häufiges Streiten), so dass Eltern, Lehrer und Ärzte die Depression übersehen.
- Die einzelnen Fälle unterscheiden sich je nach Entwicklungsalter im Erscheinungsbild mitunter deutlich.
- Aus Furcht vor einer Stigmatisierung suchen sich Familien und Jugendliche oft erst spät Hilfe.
In Abhängigkeit vom Alter gibt es Besonderheiten in der Symptomatik von Depression:
Unter 1-3 Jahren:
- wirkt traurig
- ausdrucksarmes Gesicht
- erhöhte Reizbarkeit
- selbststimulierendes Verhalten, z.B. Schaukeln des Körpers, übermäßiges Daumenlutschen
- Teilnahmslosigkeit
- Spielunlust
- Spielverhalten mit reduzierter Kreativität und Ausdauer
- gestörtes Essverhalten
- Schlafstörungen
Vorschulalter (3-6 Jahre):
- trauriges Gesicht
- verminderte Gestik und Mimik
- leicht irritierbar, stimmungslabil
- mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen
- vermindertes Interesse an Bewegung
- nach innen gekehrtes oder aggressives Verhalten
- Verändertes Essverhalten mit Gewichtsab-/ oder Zunahme
- Schlafstörungen, z.B. Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen, Albträume
Schulalter:
- verbale Berichte über Traurigkeit
- Schulleistungsstörungen
- Befürchtung, dass die Eltern nicht genügend Beachtung schenken
- Suizidale Gedanken
Pubertäts-und Jugendalter:
- Depressive Symptome laut Diagnosekriterien
- vermindertes Selbstvertrauen
- Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten, Gleichgültigkeit
- Leistungsstörungen
- tageszeitabhängige Schwankungen des Befindens
- psychosomatische Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen)
- Suizidhandlungen
Die Diagnostik sollte stets durch einen Arzt oder Psychotherapeuten (Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater/-psychotherapeut) erfolgen. Es gelten die gleichen Diagnosekriterien wie bei Erwachsenen, jedoch lassen sich gerade bei jüngeren Kindern die typischen Symptome noch nicht finden.
Einige Symptome der Depression sind wiederum Bestandteil der normalen jugendlichen Entwicklung: gereizt oder verschlossen sein, sich langweilen oder grübeln, mit sich und der Welt unzufrieden sein. Bei der Diagnostik ist es deshalb unerlässlich, die altersabhängigen Besonderheiten zu beachten. Für eine gesicherte Diagnose wird auch immer das Umfeld, z.B. Eltern, Lehrer, Erzieher und weitere Bezugspersonen in die Beurteilung mit einbezogen.
Ursachen
Die Ursachen einer Depression sind sowohl biologischer als auch psychosozialer Natur. Zunächst liegt eine Veranlagung vor, die genetisch bedingt sein kann oder durch z.B. traumatische Erfahrungen in der frühen Kindheit erworben werden kann. Diese Veranlagung führt zu einer erhöhten Vulnerabilität, das heißt Risiko, an Depression zu erkranken. Auslöser der Erkrankung können dann z. B. Stress durch Schule, Konflikte mit Freunden und der Familie sein. Durch die Veranlagung kann man aber auch ohne äußere Gründe in eine Depression rutschen.
Vor diesem Hintergrund betrachtet, hat die Corona-Pandemie und vor allem die Schließungen von Schulen, Tagesgruppen und Freizeitangeboten sowie die Kontaktbeschränkungen generell einen negativen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. So gaben in der COPSY-Studie 70% der befragten Kinder- und Jugendlichen an, belastet zu sein. 82,8 % gaben an, weniger Sozialkontakte als vor der Pandemie zu haben. Bei entsprechender Vulnerabilität kann die Corona-Krise also das Entstehen einer Depression begünstigen – bei Kindern, Jugendlichen und natürlich auch Eltern. Hinzu kommen weitere Risikofaktoren für Familien:
- Angst um die eigene Gesundheit
- Belastungen der Familie (z.B. finanzielle Sorgen, Erschöpfung der Eltern)
- unerwartete Quarantäne
- Einflüsse durch soziale Medien
- Stress durch Homeschooling.
Es ist also davon auszugehen, dass sich die bereits heute sichtbaren Folgen der Corona-Krise in den kommenden Monaten weiter verstärken. Homeschooling, Kontaktbeschränkungen und der Wegfall wichtiger Unterstützungsangebote haben ihre Spuren hinterlassen. Jugendliche, deren Ressourcen vor der Corona-Pandemie noch ausgereicht haben, um mit Belastungen im Leben umzugehen, können nun depressive Symptome entwickeln und die Diagnose Depression gestellt bekommen.
Behandlungsmöglichkeiten
Eine Behandlung erfolgt meist ambulant in den Praxen von niedergelassenen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiatern. Die Behandlung umfasst:
- eine alters- bzw. entwicklungsgerechte Aufklärung des Kindes/Jugendlichen sowie der Eltern über die Erkrankung,
- Psychotherapie unter Einbeziehung von Familie und weiteren Bezugspersonen,
- bei schweren Fällen erfolgt zusätzlich zur Psychotherapie eine medikamentöse Behandlung,
- Interventionen in der Familie (ggf. einschließlich Familientherapie).
Suizidalität
Auch wenn Suizide im Kindesalter sehr selten sind, so zählen sie im Jugendalter zu den häufigsten Todesursachen. Suizidale Gedanken sind ein Symptom der Depression: Bei Jugendlichen besteht bei Depression ein bis zu 20-fach erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten (Suizidversuch/vollendeter Suizid).
Jungen versterben im Vergleich zu Mädchen dreimal so häufig durch Suizid, Hauptrisikogruppe für Suizidversuche sind hingegen Mädchen und junge Frauen. Neben psychischen Erkrankungen sind ein früherer Suizidversuch, Erfahrungen mit diesem Thema im Freundes- und Familienkreis und negative Lebensereignisse weitere Risikofaktoren für Suizidalität. Die Suizidalität sollte immer ernst genommen und angesprochen werden.
Lesen Sie hier mehr zu dem Thema Suizidalität.
Anlaufstellen
Sich Hilfe zu holen, ist der erste und oft auch schwierigste Schritt. Mit Unterstützung wird es Dir jedoch bald wieder besser gehen.
Erste Ansprechpartner sind
- Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte
- Hausärztinnen und -ärzte
- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten
- Schulsozialarbeiterinnen- und -sozialarbeiter
- Beratungslehrerinnen- und -lehrer
- Beratungsstellen vor Ort, wie z.B. beim Roten Kreuz, Caritas oder Diakonie
Manchmal ist es leichter, sich jemanden anonym anzuvertrauen. Das Kinder- und Jugendtelefon (116 111) oder die Telefonseelsorge (0800 1110 111oder 0800 1110 222) haben ein offenes Ohr für Dich.
Die Mailberatungen von Jugendnotmail und u25-Deutschland helfen auch weiter.
Links und Literatur
FIDEO
FIDEO ist ein Online-Informationsangebot mit moderiertem Selbsthilfe-Chat für junge Menschen ab 14 Jahren zum Thema Depression.
Nummer gegen Kummer
Telefonische Beratung und Beratung per E-Mail für Kinder und Jugendliche von professionellen Beratern oder von Jugendlichen für andere Jugendliche. Außerdem telefonische Beratung für Eltern.
Ich-bin-alles.de
Website für Kinder und Jugendliche mit und ohne Depression sowie deren Angehörige. Informationen zum Thema Depression und psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen.
Elternratgeber Psychotherapie
Der Elternratgeber Psychotherapie der Bundespsychotherapeutenkammer will helfen, dass psychische Probleme erst gar nicht entstehen. Deshalb gibt er altersspezifische Empfehlungen für das Säuglings- und Kindesalter, das Kita-Alter, das Grundschulalter und das Jugendalter.
BKE
Zahlreiche Beratungsangebote der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung für Eltern und Jugendliche, Adressen von Beratungsstellen vor Ort, moderiertes Forum, Chats.
Youth-Life-Line
Online-Beratung von und für Jugendliche im Arbeitskreis Leben. Das Team aus jugendlichen Peer-Beratern und Fachkräften hilft Jugendlichen in Krisen.
[U25] Deutschland
Informationen und Online-Beratung für junge Menschen unter 25 Jahren in Krisen und bei Suizidgefahr. Kostenlose und anonyme E-Mail-Beratung durch ehrenamtliche Peer-Berater, die von Fachkräften unterstützt werden.
Nethelp4u
Jugendliche beraten Jugendliche. Ein Team aus ehrenamtlichen Beratern im Alter von 18 bis 24 Jahren hilft bei Sorgen und Kummer. E-Mail-Beratung, Antwort innerhalb von 7 Tagen.
frnd.de
Informationen über Depression und Suizid bei jungen Menschen und jungen Erwachsenen.
JugendNotMail.de
Das Beratungsangebot von jugendnotmail.de ist eine kostenlose und anonyme Online-Beratung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen oder in schwierigen Lebenslagen. Die Online-Beraterinnen und -Berater sind erfahrene, diplomierte Fachkräfte aus den Bereichen Psychologie, Sozialpädagogik und Soziale Arbeit mit Zusatzausbildungen.
jmd4you
Hilfe und Beratung per Chat und Mail für jungen Menschen mit Migrationshintergrund.
Krisenchat
Chatberatung per WhatsApp oder SMS für junge Menschen in der Krise.
Ratgeber für Eltern, Lehrer oder Erzieher
Groen, G., Ihle W., Ahle M. E & Petermann F. (2012): Ratgeber Traurigkeit, Rückzug, Depression: Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Göttingen: Hogrefe-Verlag.
Groen, G. & Petermann F. (2011): Wie wird mein Kind wieder glücklich?: Praktische Hilfe gegen Depressionen. Bern: Huber-Verlag.
Nevermann, C. & Reicher, H. (2020): Depressionen im Kindes- und Jugendalter. Erkennen, Verstehen, Helfen (3. Auflage). München: C.H. Beck.
Groen, G. & Petermann, F. (2011): Depressive Kinder und Jugendliche (2. Auflage). Göttingen: Hogrefe-Verlag.
Baierl, M. (2014): Familienalltag mit psychisch auffälligen Jugendlichen: Ein Elternratgeber. (2. Auflage). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mattejat, F. und Lisofsky, B. (2011): Nicht von schlechten Eltern: Kinder psychisch Kranker. Balance Ratgeber, Bonn.
Döpfner, M. /Petermann, F. (2008): Ratgeber Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen – Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Göttingen: Hogrefe-Verlag Homeier, S. (2006).
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Bücher für Kinder
Wunderer S. (2018): Warum ist Mama traurig? Ein Vorlesebuch für Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Mit einem Ratgeberteil am Ende des Buchs. Frankfurt a.M.: Mabuse-Verlag.
(Für Kinder zwischen ca. 3 und 5 Jahren)
Erdmute von Mosch (2011): Mamas Monster: Was ist nur mit Mama los? (5. Auflage). Bonn: BALANCE Buch + Medien Verlag.
(Für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren)
Jacob, L. A. & Tanner, K. (2016): ZiegenHundeKrähenMama...oder: Was ist mit Mama los? Zürich: Atlantis Verlag. Außerdem zum Buch erhältlich: kostenlose Begleitmaterialien zum Download.
(Für Kinder ab 5 Jahren)
Gliemann, C. & Fainchney, N. (2014): Papas Seele hat Schnupfen. Karlsruhe: MONTEROSA Verlag.
(Für Kinder ab 6 Jahren)
Dachverband Psychosozialer Hilfsvereinigungen (Hrsg.): Verschiedene Broschüren, siehe:
https://www.dvgp.org/veroeffentlichungen/kinderbroschueren.html
Bücher für Jugendliche
Müller, Victoria (2018): Meine Freundin, die Depression. Wie ich mich meiner Krankheit stellte und so zu mir selbst fand. München: mvg Verlag.
Katze, Tobi (2015): Morgen ist leider auch noch ein Tag: Irgendwie hatte ich von meiner Depression mehr erwartet. Taschenbuch Verlag Rowohlt.
Wessling, Kathrin (2012): Drüberleben: Depressionen sind doch kein Grund, traurig zu sein. München: Goldmann Verlag.
Curtis, Scarlett (2021): It's okay not to be okay: Inspirierende Persönlichkeiten sprechen über psychische Gesundheit. Hamburg: Carlsen.
Kuhlmann, Lena (2020): Psyche hat doch jeder. Hamburg: Eden Books.
- ZDF Tivi: "Geheime Schatten"
- Sendung mit der Maus: „Die unsichtbare Krankheit“
- Kika: "Phil und das Traurigsein"
- Spiegel Online: "Wenn Kinder depressiv werden"
- Focus Online: „Die Dunkelheit im Herzen: Wenn Kinder depressiv werden“,
Quellen
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