Medikamentöse Behandlung

Manche Menschen stellen sich die Frage, wie Medikamente ihnen bei einer psychischen Erkrankung wie der Depression helfen sollen, besonders wenn sie Stress im Beruf, Spannungen in der Partnerschaft oder eine andere schwierige Lebenssituation als Ursache der Erkrankung ansehen.

Wichtig zu wissen ist, dass Depression eine eigenständige Erkrankung ist und keine Reaktion auf Lebensumstände. Zudem werden im Rahmen einer Depression solche Probleme oft als kaum zu bewältigen oder unlösbar erlebt.

Durch eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung der Depression kommt es jedoch zum Abklingen der Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Freudlosigkeit. Die bestehenden Probleme erscheinen weniger groß und wieder bewältigbar, und werden wieder Teil des oft durch Schicksalsschläge geprägten Lebens.

Es ist sehr wichtig, sich mit den Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung zu beschäftigen, denn nur wenn man von der Behandlung überzeugt ist, nimmt man das antidepressiv wirksame Medikament auch regelmäßig und über einen ausreichend langen Zeitraum ein.

Wie Medikamente helfen können: Alexander Metzler

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Antidepressiva

Antidepressiva sind eine wichtige Säule der Behandlung und die mit Abstand am häufigsten angewendete Therapie. Der Einnahme von Medikamenten stehen viele Betroffene jedoch oft erst einmal skeptisch gegenüber. Die folgenden Hinweise sollten dabei helfen, besser zu verstehen, wie Antidepressiva wirken und warum sie ein wichtiger Teil der Behandlung sind.

Das Wichtigste zu Antidepressiva
  • Antidepressiva machen nicht süchtig.
  • Antidepressiva sind keine Aufputsch- oder Beruhigungsmittel und machen nicht „high. Sie bewirken eine Abnahme der depressiven Symptome. So bessert sich beispielsweise die Stimmung.
  • Antidepressiva gehören zur Gruppe der Psychopharmaka (Medikamente, die gegen psychische Erkrankungen eingesetzt werden).

Daneben gibt es zwei weitere Gruppen von Psychopharmaka, deren Wirkung sich jedoch deutlich von der Wirkung der Antidepressiva unterscheidet:

  • Antipsychotika/Neuroleptika zur Behandlung von schizophrenen Erkrankungen und wahnhafter Depression.
  • Anxiolytika/Hypnotika (Beruhigungsmittel/Schlafmittel) zum Beispiel zur Behandlung von Angst- und Schlafstörungen.
Wie wirken Antidepressiva im Gehirn?

Es gibt Antidepressiva mit recht unterschiedlichen Wirkungen auf die Botenstoffe im Gehirn. Die Gruppe der SSRI (deutsch: Selektive Serotonin Rückaufnahmehemmer) beispielsweise erhöht die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt, indem sie einen Mechanismus hemmen, durch den das  Serotonin von der Synapse wieder aufgesaugt und aus dem synaptischen Spalt entfernt wird. Die Folge ist, dass mehr Botenstoffe im synaptischen Spalt sind und ihre Wirkung erhöht wird. Da unser Gehirn ein hochkomplexes Organ ist, dessen Systeme in permanenter Wechselwirkung miteinander stehen, sind allerdings weder die neurobiologischen Ursachen der Depression noch die genaue Wirkung der Antidepressiva im Detail verstanden.

Abb.: Beispiel für die Wirkung von Antidepressiva: SSRI hemmen den Rücktransport der Botenstoffe und erhöhen so die Verfügbarkeit im synaptischen Spalt
Abb.: Beispiel für die Wirkung von Antidepressiva: SSRI hemmen den Rücktransport der Botenstoffe und erhöhen so die Verfügbarkeit im synaptischen Spalt
Behandlung mit Antidepressiva

Ob Antidepressiva sinnvoll sind, sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung mit Antidepressiva hängt u.a. vom Schweregrad der Depression, den Präferenzen des Patienten und dem früheren Krankheitsverlauf ab. Bei leichten Depressionen kann auch zunächst abgewartet werden, und es können unterstützende Angebote aus dem Bereich Selbstmanagement gemacht werden. Bessert sich die Depression nicht oder gab es bereits früher schwerere Depressionen, dann muss individuell entschieden werden, ob mit Antidepressiva, Psychotherapie oder einer Kombination aus beiden behandelt wird. Bei der sehr leichten, aber chronisch verlaufenden Depressionsform dysthymen Störung ist die Wirksamkeit der Antidepressiva gut belegt.

Antidepressiva wirken nicht sofort wie beispielsweise Schmerztabletten oder Schlafmittel unmittelbar nach der Einnahme. Meist zeigt sich aber innerhalb der ersten zwei Wochen eine erste Besserung der depressiven Symptome. Oft dauert es dann weitere drei bis vier Wochen, bis sich die volle antidepressive Wirkung zeigt. Antidepressiva dürfen bei Besserung nicht sofort wieder abgesetzt werden, da sonst das Risiko groß ist, dass die Depression zurückkommt, ähnlich wie sich auch nach Absetzen eines Blutdruckmittels der Blutdruck wieder verschlechtern würde. Um langfristig einen Rückfall zu vermeiden, sollten die Antidepressiva auch nach Abklingen der Depression für circa vier bis acht Monate in gleicher Dosierung weiter eingenommen werden. Sind die Depressionen sehr schwer und gab es bereits mehrere depressive Erkrankungsphasen, dann ist oft eine über mehrere Jahre gehende Medikamenteneinnahme zur Rückfallverhütung zu empfehlen.

Mehr Informationen zur Vermeidung von Rückfällen finden Sie in dem Eintrag zur Rückfallprophylaxe.

Verschiedene Antidepressiva

Es stehen verschiedene Antidepressiva zur Verfügung, die sich weniger in ihrer Wirksamkeit als in der Art möglicher Nebenwirkungen unterscheiden.

Das Ziel der Behandlung ist immer das Gleiche: das Abklingen der Depression bei gleichzeitig guter Verträglichkeit des Antidepressivums. Welches Medikament am besten passt, entscheiden Patient und behandelnder Arzt gemeinsam. Wird ein Antidepressivum nicht vertragen, so kann auf ein anderes mit einem anderen Nebenwirkungsrisiko umgestellt werden. Antidepressiva werden im Übrigen auch bei anderen Erkrankungen wie Angststörungen oder Zwangserkrankungen eingesetzt.

Neben Antidepressiva können weitere Medikamente bei Depression verordnet werden, wie beispielsweise Medikamente zur Stimmungsstabilisierung oder kurzfristig zu Beginn der Behandlung Beruhigungs- und Schlafmittel. Letztere sollten aber wegen der Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung nicht über längere Zeit eingenommen werden. Auch Medikamente aus der Gruppe der Neuroleptika können bei schweren wahnhaften Depressionen sinnvoll sein.

In der Behandlung leichter und mittelschwerer Depressionen können auch Johanniskrautpräparate zum Einsatz kommen. Hinweise auf eine antidepressive Wirksamkeit liegen aber nur für einige hoch dosierte Präparate vor, und auch nicht für die Behandlung schwerer Depressionen. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind wie bei anderen Antidepressiva auch bei Johannniskrautpräparaten zu beachten.

Ketamin/Esketamin

Ketamin wird seit Längerem als Narkosemittel eingesetzt und zudem auch als Partydroge unter dem Namen »Special K« missbraucht. Aufgrund einer raschen antidepressiven Wirkung wurde eine Form des Ketamins, das Esketamin, als Nasenspray in Europa zur Depressionsbehandlung Erwachsener zugelassen. Allerdings nur, wenn die Behandlung mit mindestens zwei verschiedenen Antidepressiva keine ausreichende Besserung gebracht hat. Weiterhin darf das Nasenspray zur kurzfristigen Notfallbehandlung eingesetzt werden. Esketamin wird immer in Kombination mit Antidepressiva angewendet. Aufgrund von Missbrauchsrisiko und Abhängigkeitspotenzial darf das Nasenspray ausschließlich unter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden. Das bedeutet, dass die Patienten ein- bis zweimal Mal wöchentlich eine Klinik aufsuchen müssen. Eine weitere Einschränkung ist, dass innerhalb von 24 Stunden nach Gabe des Nasensprays der Patient fahruntauglich ist. Die Behandlungskosten für Esketamin werden nur eingeschränkt von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Esketamin hat leider nicht den erhofften Durchbruch in der Depressionsbehandlung gebracht und ist nur für eine sehr kleine Gruppe von stationär behandelten Patienten ein kleiner Fortschritt.

Nebenwirkungen

Menschen reagieren auf Antidepressiva unterschiedlich. Während viele Menschen keine Nebenwirkungen oder nur in den ersten Tagen leichte Nebenwirkungen verspüren, leiden andere unter Nebenwirkungen, die auf Dauer nicht akzeptabel sind. Nebenwirkungen sind zum Beispiel Mundtrockenheit, ein veränderter Blutdruck, Schlaflosigkeit, verminderte Libido oder Erektionsstörungen. Da unterschiedliche Antidepressiva unterschiedliche Nebenwirkungen haben können, kann dann kann eine Umstellung auf ein anderes Antidepressivum sinnvoll sein. Wichtig ist, auftretende Nebenwirkungen dem behandelnden Arzt mitzuteilen. Mit ihm kann der Patient besprechen, wie sehr die Nebenwirkungen beeinträchtigen, und ob gegebenenfalls eine Änderung (zum Beispiel
Reduktion der Dosis, anderes Medikament) vorgenommen werden muss. Da es eine größere Auswahl an Antidepressiva gibt, gelingt es in der Regel, ein Antidepressivum zu finden das wirkt und auch vertragen wird.

Absetzen von Antidepressiva

Was kann beim Absetzen passieren?

Wenn Sie das Antidepressivum einfach absetzen, oder die Dosis auf einmal stark senken, kann das vorübergehend Beschwerden auslösen. Diese Beschwerden werden Absetzbeschwerden genannt und haben nichts mit Abhängigkeit zu tun. Sie können bei vielen Antidepressiva vorkommen.

Beispiele für sogenannte Absetz-Beschwerden sind:

■ Kopfschmerzen oder Grippe-ähnliche Beschwerden

■ Schlafprobleme oder Alpträume

■ Übelkeit und Erbrechen

■ Schwindel, Störungen des Gleichgewichts oder Benommenheit

■ stromschlagähnliche Missempfindungen

■ Angst, Reizbarkeit oder Unruhe, zum Beispiel Hin- und Herlaufen

Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen können innerhalb von 2 bis 4 Tagen nach dem Absetzen auftreten. In der Regel verschwinden sie aber innerhalb von 2 bis 6 Wochen wieder von alleine.

Außerdem ist es möglich, dass nach einem plötzlichen, d.h. zu schnellem Absetzen die Depression wiederkommt (sog. Rebound-Phänomen).

Antidepressiva absetzen – aber richtig

Generell ist es wichtig, dass Sie ein Medikament nicht eigenständig ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin absetzen.

Welches Vorgehen für Sie geeignet ist, hängt dann von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel: Warum soll das Mittel abgesetzt werden? Wie geht es Ihnen mit der verringerten Dosis?

Es gibt bisher nur wenige Studien dazu, wie man Antidepressiva am besten absetzt. Aber aufgrund ihrer Erfahrung empfehlen Fachleute unterschiedliche Vorgehensweisen. Nicht immer ist ein sehr langsames Vorgehen nötig. Je nach Situation kann Folgendes in Frage kommen:

■ unzureichende Wirksamkeit: Wenn Ihr Antidepressivum nach 3 bis 4 Wochen keine Wirkung gezeigt hat und Ihnen deshalb ein anderes Medikament verordnet wird, kann das Ausschleichen schnell gehen. Denn Absetz-Beschwerden zeigen sich meist erst, wenn ein Antidepressivum länger als 8 Wochen eingenommen wird.

■ Nebenwirkungen: Wenn ein Antidepressivum starke Nebenwirkungen hervorruft, empfehlen Fachleute, das Medikament nach ärztlicher Absprache rasch abzusetzen, damit die Nebenwirkungen schnell verschwinden.

■ am Behandlungsende: Wenn Ihre Depression seit mindestens mehreren Monaten vorbei ist und eine längere Behandlung mit dem Antidepressivum beendet wird, sollte das Ausschleichen mindestens 8 bis 12 Wochen dauern. Voraussetzung dafür ist, dass medizinische Gründe nicht dagegen sprechen.

Wenn bei Ihnen Absetz-Beschwerden auftreten, ist es wichtig, dass Sie wieder die vorherige Dosis erhalten. Dann plant Ihre Ärztin oder Ihr Arzt das Absetzen in noch kleineren Schritten. Aus Expertensicht sind während des Absetzens regelmäßige Arztbesuche empfehlenswert. Auch danach vereinbart Ihre Ärztin oder Ihr Arzt noch weitere Kontrolltermine mit Ihnen.